Peter Röder, Renshi, 7. Dan Iaidō

Interview mit Peter Röder, 17. Januar 2023

 

Viele Leute, insbesondere Anfänger, fragen sich auf ihren ersten Seminaren immer: Wer zum Teufel sind die "Highgrades" da eigentlich, die versuchen, uns Iaidō beizubringen? Warum haben sie eine Art Status, die sie in schwindelerregende Höhen trägt? Die Antwort ist: Das wollen die gar nicht.

 

Ich lernte Peter Röder auf dem Jahreshauptlehrgang 2018 in Bad Homburg kennen. Er lehrte damals die Mudane und als absoluter Neuling bewunderte ich zuerst die enorme Länge seines Schwertes, da ich glatt zwei Köpfe kürzer bin und dachte, nachdem ich einen langen Blick auf mein bokken geworfen hatte: Nee. Kriege ich nicht hin.

 

Seine lockere Art mag Menschen täuschen. Ich habe erfahren, dass hinter der Lockerheit ein tiefes Verständnis der Zusammenhänge wohnt und Peter ein von grundauf dem Iaidō verpflichteter Buddōka ist. Er folgt der Lehre von Ishido Sensei wie ein loyaler, treuer Samurai, sein direkter Lehrer ist Renè van Amersfoort Sensei.

 

Peter zeichnet seine Linientreue aus, sein perfekter Sinn  für Details und auf jeden Fall seine Art, Menschen zu helfen, besser zu werden, gleich welchem Sensei sie folgen. Das bedeutet Fairness und daraus resultiert die Liebe zu seiner Kampfkunst. Peter gehört zu den herausragenden Iaidōka aus Deutschland, der eine beeindruckende Kampfbilanz aufweist. Zahlreiche Gewinne auf nationaler und internationaler Ebene beweisen dies ausdrücklich. Fazit: Wenn Peter etwas sagt, hört man besser zu!

Lieber Peter, wie bist du zum Iaidō gekommen und warum? Was hat dich am Iaidō getriggert?

 

      Ich war ungefähr 12 oder 13 Jahre alt; mein damaliger Schwager machte damals in Lüneburg Karate und war auf einem Karate-Taikai. Dort sah er eine Kendō Vorführung und erzählte mir davon. Damals kannten wir Kampfkünste nur aus Filmen. Ich kam vom Dorf, mochte Messer und war unterbewusst sofort Feuer und Flamme. In dem kleinen Ort, in dem ich aufwuchs, gab es nichts aus dem Bereich Kampfkunst / Kampfsport, ich war dann 1993, ich war 19, mit Freunden auf einer regionalen Messe. Ich hörte irgendwelche Menschen wild rumschreien und wusste: Das ist Kendō, das will ich! Ich stand lange wie angewurzelt da und war fasziniert. Irgendwann kam ein Typ, setzte seine Maske ab, ich bin hingegangen: „Hallo, ich bin Peter, wann kann ich anfangen?“

      Du folgst Ishido Sensei, gab es eine Zeit davor?

      Ich folge Ishido Sensei, ja und nein. Ich befinde mich in der Linie Ishido, mein direkter Lehrer jedoch ist Rene van Amersfoort. Vor dieser Zeit gab es die Lehrgänge von Sagawa Sensei, bei dem ich auch in Japan persönlich war und Soejima Sensei, aber das waren nie meine direkten Lehrer. Mein allererster Iaidō-Lehrgang im Leben war Mitte der 90er bei Louis Vitalis. Es war damals nicht die mediale Zeit wie heute, Ausschreibungen wurden noch postalisch verschickt. Ich blieb in Deutschland verwurzelt, erst später kam Soejima Sensei, der es damals abgelehnt hatte, Angela (von der Geest) und mich als Schüler anzunehmen. Das war ungefähr 2004 oder 2005. Da wurde mir klar, dass ich als 4. Dan mir meine Lehre nicht in Deutschland hole. In meinem Fall bei Rene in den Niederlanden und bei Jock Hopson in England. Nach meiner bestandenen Prüfung zum 5. Dan und Andrea (Röder)s 4. Dan haben wir den Entschluss gefasst, mit der Dōjō Gruppe zu sprechen, haben deren Einverständnis eingeholt; dann bin ich zu Rene gegangen und habe ihn gefragt.  Danach dauerte es knapp 1,5 Jahre bis wir dann 2008 offiziell in der Ishido-Gruppe angenommen wurden.

1.      Wenn du auf 30 Jahre zurückblickst, was hat dich motiviert, 30 Jahre lang Iaidō zu machen?

    Das wüsste ich selbst gern! (lacht). Die Freude an der Art der Bewegung hat nie nachgelassen und über die Jahre kamen natürlich auch externe Einflüsse hinzu, dass man immer besser vernetzt war, neue Leute, besonders im Ausland kennen lernte. Menschen, deren sportliche Freundschaft man über die Jahre gepflegt hat, mit Andy (Watson), Claudio (Zannoni) und vielen anderen. Wir battlen uns seit vielen Jahren auf internationalen Meisterschaften, jeder hat jeden im Laufe der Jahre mal geschlagen, ob schon ich sicher war, dass ich Andy oder Claudio niemals schlagen könnte.  Irgendwann war es dann doch einmal soweit, aber das war immer nur der Moment im Wettkampf, aber am Ende des Tages haben wir uns immer auf ein Bierchen gefreut. Es ist diese multikulti- Geschichte, die einen wirklich immer wieder neu motiviert. Auch jetzt bekomme ich wieder Einladungen nach Bukarest, Istanbul und Varna. Das sind Sachen, die machen mich einfach glücklich.

Du siehst nach 30 Jahren die Entwicklung des Iaidō in Deutschland. Wie siehst du die Zukunft?

 

      Positiv! Weil sich ganz vieles verändert hat, weil viele Leute, die schon länger Iaidō machen als ich, sich neuen Ideen und den internationalen Verbindungen geöffnet haben. Und das war sicherlich vor 15 – 20 Jahren noch nicht der Fall. Auch ich bin mal zur Europameisterschaft gefahren und ich habe mich darüber aufgeregt, dass nur scharfe Schnitte bewertet werden, aber das „wahre“ Iaido, so wie wir das in Deutschland machen, weil wir das so interpretiert hatten, das hat Sagawa Sensei mit Sicherheit so nie gesagt, aber wir hatten es so interpretiert, und dann ist die deutsche Mannschaft zur EM gefahren, so vor 20 Jahren und alle dachten was sie für geile Typen sind und dann sind alle mal kurz und knapp nach Haus geschickt worden. Da muss man ganz ehrlich sagen: Da waren wir in unserem eigenen Saft sehr arrogant und noch viel unwissender. Das sind Dinge, die haben sich sehr verändert und während meiner Amtszeit als Präsident war ich immer bemüht, das zu öffnen und international zu gestalten. Ich bin auch sicher, dass Oliver (Bischoff) das in diesem Sinne weiterführen wird.

Gibt es etwas, einen Punkt oder eine Einstellung, wo du sagst: Ohne DAS geht Iaidō nicht!

 

      Nein. Aber… auch Ja. Die Leute, die ich im Laufe dieser 30 Jahre erlebt habe, die sich dem Taikai oder der Prüfung verweigert haben, weil das nicht „ihr Iaidō“ wäre, nichts Echtes wäre und man könnte Iaidō machen, ohne sich dem zu fügen, das ist dummes Zeug. Und diese Leute sind alle an einem sehr frühen Punkt der Entwicklung stehen geblieben. Selbst Sagawa Sensei sprach seinerzeit davon, dass Iaidō aus drei Säulen besteht: Keiko, Shinza und Taikai (Training, Prüfung, Wettkampf) und dieses Fundament brauchst du, du brauchst diese Rückmeldung. Sonst bleibst du immer der Beste der Besten, weil du dich niemals dem Vergleich gestellt hast. Dann fangen die Leute sehr schnell an, eigene Ideen zu entwerfen und dann ist das für alle, die ich kennen gelernt habe, eine Sackgasse.

 

Du bist jetzt 7. Dan renshi. Was willst du noch erreichen?

 

      Den 8. Dan natürlich! Es hängt an meiner persönlichen Gesundheit und meiner Entwicklung. Natürlich hat niemand erwartet, dass es innerhalb des ZNKR einen Hachidan geben wird außerhalb Japans. Rene konnte das im Jōdō vor ein paar Jahren widerlegen, aber die Community im Jōdō ist auch kleiner als im Iaidō. Natürlich gibt es in Japan sehr viel mehr Trainierende, besser trainierte Leute als im Rest der Welt. Es ist die Frage, ob man hier jemals so trainiert werden kann, um dem standzuhalten und die Chance erhalten kann, den 8. Dan zu bestehen. Es gibt übrigens mehr Kendōka als Iaidōka und wenn ich sehe, dass im Iaidō lediglich 4% der Leute die Prüfung bestehen, ist das eigentlich ein gutes Zeichen. Stell dir vor, in Japan laufen 250 gut ausgebildete Nanadane auf, um sich prüfen zu lassen. Was will ein Prüfer sehen, um ihn zu einem 8. Dan machen zu wollen? Also ich weiß das nicht! Mein nächstes Ziel ist aber erst einmal: Kyōshi!

Siehst du signifikante Unterschiede zwischen japanischen Schülern/Schulen und z.B. Europäischen Schülern/Dojos?

 

Sehr bedingt. Zum Beispiel jemand wie Ishido Sensei, der schon lange Jahre im Ausland lehrt, hat eine recht „europäische“ Art, die Lehre zu verbreiten. Das sehe ich ebenso bei Furuichi Sensei, die Lernende da abholen, wo sie sind, individuell ansprechen und gezielt anleiten. Der alte, japanische Style, dass du einfach einer Gruppe etwas sagst, sie das machen lässt, ist das Gegenteil. Wenn sie besser werden wollen, müssen sie dich halt kopieren. Es wird dazu nicht viel gesagt, sondern man lässt die Gruppe dann erst einmal machen. Ich bin sehr glücklich, dass ich jemanden wie Ishido Sensei habe, der sehr persönlich auf die Leute zugeht und diese Leute an genau dem Punkt abholt, wo sie stehen. Ein Beispiel. Wenn du eine Gruppe von 30 Leuten unterrichtest und einer trägt zum Beispiel sein Schwert auf der rechten Seite. Du sagst: „Einer von uns trägt das Schwert auf der falschen Seite!“. Garantiert schauen 29 auf ihr Schwert, um sicher zu sein, nur der Eine denkt: „Nö, ich nicht!“ Du kannst besser die Zeit nehmen, diese eine Person abzuholen und zu fördern, als die gesamte Gruppe quasi zu behindern.

Welche Rolle spielt die japanische Kultur außerhalb des Iaidō für dich?

 

Ich habe, wenn ich in meiner Wohnung rumgucke, wenig japanische Deko, aber ich liebe japanisches Essen. Als ich

das erste Mal in Japan war, war ich 5 Wochen da und wir sind nur durchs Land gereist und ich habe mich darauf gefreut, zuhause zum McDonalds zu gehen und einen Burger zu essen.  Ich konnte keinen Reis und keinen rohen Fisch mehr sehen. Wenn ich jetzt mal nach Japan fahre, ist es so, dass ich mich schon 10 Tage vorher darauf freue, mich rein japanisch zu ernähren.

Gibt es etwas, das du den deutschen Iaidōka mit auf den Weg geben möchtest?

 

Seid offen, seid mobil, reist durch die Gegend uns sammelt so viel Wissen wie möglich und seid bereit, dieses auch umzusetzen.

 

 

Lieber Peter, vielen Dank für deine Zeit, deine Offenheit und den Einblick in dein Leben, deine Geschichte und deine Inspiration.